'Natürlich wusste die Künstlerin von Beginn ihres Umgangs mit der jüdischen Kopfbedeckung, um was es sich hier handelt und was für vielfältige Assoziationen und Konnotationen damit verbunden sind. Doch zunächst habe sie einfach die Form dieses Kleidungsstückes begeistert. ,,Was für ein herrlich halbrundes Teil ist das hier'', so Grathwohl im Ateliergespräch vor einem ihrer Wandobjekte.

Tatsächlich werden diese schalenförmigen Käppchen richtiggehend auf ihre formalen Möglichkeiten hin untersucht: 3 Reihen a 4 Kippot geben ein quadratisches Segment, das abfotografiert und wiederum mit 3 x 3 quadratischen Segmenten zu einem großen Quadrat am Computer collagiert wird. Oder die Kippot werden zu einem Stapel bzw. zu einer Stele aufgetürmt. Dann wieder schweben die Kippot geradezu in einem gedämmt grünen Farbraum, gehalten von weißen Schnüren.

Die Künstlerin betrachtet Kippot als formal-ästhetische Gebilde. Verstärkt wird diese ins Abstrakte tendierende Formbehandlung durch die strenge Komposition der einzelnen Werke.'  

                                                                                                                   

                                                                                                                               Auszug Einführung Galerie Bad Waldsee, Otfried Käppeler   


SÜDWEST PRESSE 27. 10. 2017  zur Ausstellung in der Galerie scanplus, Otfried Käppeler

 

Kippas und kalkuliert Schiefes

 

Ein Motiv oder eine Form werden selten so derart konsequent durchdekliniert, wie Dorothea Grathwohl das in ihrer Ausstellung '...machensemalnelangenase' in der Galerie im Science Park gelingt.

Ihre Bilder, Objekte und Installationen führen künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten der Kippa vor, die inhaltlich ironisch und formal sperrig sein können. ' Die Kippa - Form ist für die Künstlerin zum beherrschenden Gestaltungsmittel geworden, das sie bewusst ihrer ursprünglichen Bedeutung entzieht', sagte Peter Degendorfer in seiner Einführung. Dafür ist an den Kippot eine kleine, weiße Schnur oben angebracht, die die Objekte zumindest formal erweitern soll.

 

Wenn scheinbar achtlos hingelegte Kippot auf dem Boden liegen, deren Anordnung der Betrachter verändern soll, kommt die Frage auf: Darf man das?

 

In einem schwarzen Bild sind Kippot übermalt und auf ihnen mit schwarzem Klebeband Schnüre so angebracht, dass Klebeband und  Schnur je ein Kreuz bilden. Das Motiv Kreuz taucht auch in einem Wandbild auf, wobei neben dem griechischen (gleich lange Balken) auch das lateinische Kreuz (der senkrechte Balken ist länger) erscheint, und so als mögliche Interpretation die Brücke zum christlichen Symbol geschlagen wird.

Dazu die Künstlerin: 'Ich bin für alles offen.'

Für grafische Blätter wie 'hoch gestapelt' und 'gestapelt im Quadrat' hat sie zwei Kippot mit der offenen Seite zusammengesetzt, sodass sie eine Kugel ergeben, mehrere dieser Kugeln aufeinander platziert und fotografiert. Die Fotos dienen ihr als seriell komponierte Grafiken, aber auch als Modul für einen schmalen Wandfries.

 

Einiges wirkt provisorisch oder ungenau, weil schief, was aber genau kalkuliert ist. Damit einher geht das Fragmentarische, Ausdruck des Misstrauens gegenüber der perfekten Wahrheit.

Die vielen Leerstellen - keine Wand ist dicht behängt - künden vom Vertrauen in die Wirkung des eigenen Werks. 


galerie scanplus , Udo Eberl 

 

Bei der Ausstellung ' ...machensemalnelangenase' erwarten die Besucher Installationen und Objekte, die von Dorothea Grathwohl eigens für die scanplus galerie konzipiert wurden. Unter anderem greift sie ihren großen Wurf im Rahmen der Triennale Ulmer Kunst 2015 in der Kunsthalle Weishaupt, eine bodenfüllende Arbeit mit jüdischen Kippot, thematisch auf und gestaltet z.B. eine 20 Quadratmeter große Wandinstallation.

'In meinen Arbeiten wird religiöses Material wieder versachlicht', erklärt die Künstlerin, die gerne auf der Klaviatur der Klischees und Vorurteile spielt, zudem zum Nachdenken anregen will.

'Die Frage ist doch, ist das für den Betrachter eine Kippa oder ein halbrundes schwarzes Stück Stoff?'

'Mir geht es darum, dass die Besucher meiner Ausstellung versuchen zu objektiven Betrachtern zu werden, statt in gewohnten Mustern wahrzunehmen', wünscht sich Dorothea Grathwohl und setzt auf eine Art puristische Verdichtung ihres künstlerischen Ansatzes.

 

Gezeigt werden unter anderem Variationen in Öl mit Baumaterialien in einer ganz neuen seriellen Ästhetik, aber beispielsweise auch drei bewegliche Objekte.

 


Esslinger Zeitung   03. 06. 2016 zur ArtStuttgart 2016

 

Erlesene internationale Kunst

 

Stuttgart (if) - Die Kunst lebt hoch: Erstmals gibt es in der Schleyerhalle erlesene internationale zeitgenössische  und klassische Kunst mit knapp 40 Galerien zu entdecken. Messeleiter Wolfgang Wunderlich freute sich gestern: "Die Halle ist voll und bietet Platz zum Flanieren."

In der Tat: Beim Rundgang durch das Mekka der Malerei und Objektkunst fällt die Großzügigkeit angenehm auf. Es gibt spannende Entdeckungen, wie etwa die Kunst von Dorothea Grathwohl aus Ulm mit ihrer musealen Wandinstallation "Crazy Kippa", die sich als jüdische Künstlerin kritisch mit ihrer Religion auseinandersetzt.  ...     arid 


                                                                                  Triennale 21 Ulm, on top.      Südwest Presse, Juli 2015, Foto Volkmar Könneke


Rezension zur Ausstellung    z  w  i  s  c  h  e  n  r  ä  u  m  e    im April 2015 in der Galerie auf der Insel, SWP, 29. April 2015, Otfried Käppeler 

 

Religiöse Materialien

 

Die Kippa ist die traditionelle Kopfbedeckung jüdischer Männer. Ihr Plural heißt Kippot. Sie zu Stapeln zu schichten oder zu Hüten eines pilzähnlichen Gebildes zu machen, das könnte man als Respektlosigkeit begreifen. Doch ist es erstaunlich, wie selbstverständlich die Objekte von Dorothea Grathwohl wirken. 

Plastiken aus Kippot, das hat natürlich Witz. Trotzdem: Bei Dorothea Grathwohl wirken sie, losgelöst vom religiösen Kontext und mit ihrer klaren, einfachen Form, wie Alltagsmaterialien für die Kunst.

So entstehen kleine Skulpturen, die die Kippa einerseits zu einer autonomen Plastik werden lassen. 

Andererseits schwingt der religiöse Kontext dann doch mit, was der autonomen Form eine reale Dimension verleiht, die, je nach der Disposition des Betrachters, unterschiedlich ausfallen wird. 


Das Seitenstück zu diesen zweisdimensionalen Werken bilden die hier ausgestellten naturgemäß dreidimensionalen Plastiken, die ebenfalls mit der Kippa-Form sich beschäftigen.

Was  dann an Potential in diesen Formen steckt, sehen wir an der kleinsten der drei Plastiken. Mit leichter Hand pfropft Dorothea Grathwohl drei schwarze Kippot auf je einen weißen Stiel und schon vergessen wir alle ideologische Vereinahmung.                                                                                                                                                                           

                                                                                                                         Auszug Eröffnung, Kleine Galerie in Thalfingen, Bernd Schmitt